Trip in den Süden: Buea, Mount Cameroon, Limbe, Kribi, Douala
Für alle, die lieber Filme schauen als zu lesen. Hier ein Videotagebuch zum Aufstieg auf den Berg:
http://www.youtube.com/watch?v=LHouVQbuNr8
Salut und Welcome,
Freitag, 14.12
wir schreiben den 14. Dezember. Freunde, für mich geht es heute in den wohlverdienten Urlaub. Man stelle sich einmal vor, man ist neu in einem heißen afrikanischen Land und nach 3 ½ Monaten aufreibender Lehrertätigkeit an einer Grundschule kann man endlich in seine ersten Ferien starten. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ferienreif ich bin. Mehr als 100 Tage ohne echte Pause liegen hinter mir, in denen ich hunderte Seiten getippt habe, Schülern von St. Martin und Nikolaus erzählt habe, tausende Tests korrigiert habe, neue Stundenpläne für 10 Klassen entworfen habe, Sechstklässler über AIDS aufgeklärt habe, die Jubliäums-Uniform für Rainbow designt habe, mit dem Kindergarten ein Weihnachtsstück einstudiert habe, in denen ich einfach ein echter Rainbow geworden bin. Jetzt zählt aber in den nächsten zwei Wochen nur noch unser Entspannungs-Entdeckungsurlaub.
Um 6.30 Uhr geht unsere große Reise los. Ich fahre alleine bereits zum Busbahnhof, um für uns drei gute Tickets zu ergattern. Das frühe Aufstehen lohnt sich. Ich bin der Zweite am Schalter der Reisegesellschaft, die noch nicht einmal besetzt ist. So früh ist es, die Sonne kommt gerade erst hinter dem Hügel hervor. 20 Minuten heißt es warten, dann macht der Schalter auf. Die Abfahrt ist für eine Stunde später terminiert. Mit den Tickets schnell nach Haus, ein Breakfast im engeren Wortsinne eingenommen und dann mit Gepäck zurück zum Garre Routière. Wir sind pünktlich, der Bus nicht ganz. 8 Uhr soll es auf dem Papier losgehen. Die Wahrheit ist: Startschuss ist 75 Minuten später. Dagegen ist die DB überpünktlich. Aber für mich ist hier Warten längst Normalität geworden. Geduld ist das Erste, was man hier lernt. Der Abfahrtsplatz ist um 9 Uhr schon eine einzige Handelsbörse mit zig Verkäufern. In Deutschland wären solche Zustände als Chaos zu bezeichnen. Hier jedoch von Chaos zu sprechen, wäre inkorrekt. Kenner wissen, dass im scheinbaren Durcheinander eine Ordnung existiert. Obst und Gemüse liegen auf der staubigen Straße direkt neben einem Auto, das nur noch schwer als solches zu identifizieren ist. Vollschaden und überfällig für den Schrottplatz in Deutschland, vollwertiges Mitglied im kamerunischen Verkehr. Eine Ziege wird auf dem Dach eines Busses transportiert. Genüsslich entleert sie sich. Kügelchen fallen hinunter auf den Fahrer, der sich zum Rangieren weit aus dem Fenster lehnt. Ihn scheint es nicht weiter zu stören. Im Bus eingestiegen, fällt mir als erstes eine Mutter auf, die ein Hähnchenflügel beordert. Sie wird doch nicht… Doch! Sie verputzt ihn komplett. Die delikaten Knorpelstücke, frisch durchgekaut, überlässt sie großzügigerweise ihrem Baby. Erinnert mich irgendwie an eine Szene aus einer Planet-Erde-Episode, in der eine Pinguinmutter bei ihrem Küken ähnlich handelt.
Es gibt grundsätzlich zwei Wünsche, die man hier vor Antritt einer Busreise hat. Nicht etwa, dass man heile am Ziel ankommt oder dass das Gepäck die Reise bis zum Ende mitmacht. Nein, das versteht sich von selbst. Ich wünsche mir eine Fahrt, geprägt von Stille und Beinfreiheit. Um es vorweg zu nehmen: Ich habe wieder zu illusorisch gedacht. Die ersten fünf Minuten habe ich gar einen eigenen Sitz, die restlichen gut 250 Minuten wird mir jedoch dann die Ehre zuteil, diesen mir mit einem Nachbarn ganz im Zeichen des EINE WELT – EIN STUHL-Gedankens zu teilen. Mein lieber Kollege schaut natürlich just im Moment, in dem ich diese Zeilen in mein iPod tippe, auf mein Display. Wie schön, dass er nur gar nicht weiß, dass ich gerade über ihn schreibe. Manchmal ist es sehr angenehm sich auf einer Sprache zu äußern, die keiner hier versteht. Das gibt einem selbstverständlich auch gelegentlich die Möglichkeit auf Deutsch zu lästern. Solange dein Gegenüber keine Wortfetzen aus irgendeinem nicht ersichtlichen Grund versteht ist das eine prima Sache. Wenn schon keine Bein- so zumindest Redefreiheit. Und wie war das mit der erhofften Ruhe? Wenige Minuten war es vergleichsweise still im Bus – bis, ja bis ein Lautsprecher genau über mir angeht. Mesdames et Messieurs, es folgen Stunden kamerunisches Radiogeträller. Ein lieblicher Chor schmettert ein Hit nach dem anderen heraus. Mammabia, Ananasolem, Obabia, Saba, Soljo. Oder so ähnlich. Für die orthographische Richtigkeit keine Gewähr. Fujujima. Ist das nicht dieser verstrahlte Ort in Japan? Stopp, das war doch Fukushima. Bei uns halb vergessen und hier dominierendes Instrument: Das Xylophon.
Landschaftlich gesehen ist das Ganze umso vielfältiger. Die ersten Kilometer, nur unweit entfernt von Dschang, fahren wir mitten durch einen tiefen Talkessel, der von hohen Bergen eingeschlossen wird. An den Hängen hat sich ein dichter Regenwald mit mehrstöckigen Bäumen aller Art ausgebreitet. Dschang liegt mit gut 1800 m über dem Meeresspiegel mitten im westafrikanischen Hochland. Je mehr wir uns der atlantischen Küste nähern, desto flacher und vor allem weitläufiger wird das Land. Ackerland und Wälder, Flüsse und Mangroven durchziehen die Senke. Gegen 1 Uhr am Mittag erreichen wir Buea. Geschafft von der anstrengenden Fahrt, suchen wir in der Wohnung des GIZ-Freiwilligen Aaron, wo wir die nächsten beiden Nächte schlafen werden, erst einmal eine Ruhepause. Am Nachmittag fahren wir in die Innenstadt der ehemaligen deutschen Kolonialhauptstadt. Das Klima ist mild. Es ist bedeckt. Die Wolken vom Mount Cameroon hüllen die Stadt ein. Wir gehen relativ früh zu Bett. Ich finde guten Schlaf und werde nur von einem kuriosen Zwischenfall für wenige Minuten aus den Träumen gerissen. Zwei andere deutsche Freiwillige aus Kumbo platzen um 23 Uhr in Aarons Wohnung, der selbst übrigens nicht da ist. Die beiden Mädchen suchen ebenfalls Unterschlupf in dem Apartment. Völlig perplex stehen wir da, aber man arrangiert sich. Angeblich war deren Kommen parallel und für uns unangekündigt geplant worden.
Samstag, 15. Dezember
Der Morgen des 15. bleibt weitesgehend unspektakulär. In einer Bäckerei frühstücken wir mit den beiden Kumbo-Freiwilligen. Danach treffen wir andere GIZ-Freiwillige, die zum Teil hier leben. Insgesamt sind etwa 20 deutsche Freiwillige der GIZ in Kamerun verteilt. Die kurzen Aufeinandertreffen sind nur knappe, profane Erfahrungsaustausche, deswegen aber nicht minder interessant. Später fahre ich mit Max ins 20-minütig entfernte Tole, ein kleines Dorf abseits des Großstadt-Rummels. Es befindet sich in einer flachen Ebene und grenzt an große Felder, wo Tee angebaut wird. Der Weg dorthin wird in einem Taxi mit 9 (!!!) Personen bestritten. Das Leben ist hier viel dörflicher, viel einfacher, was mir an den primitiven Holzhütten auffällt. Hier sitzt noch der Urgroßvater nichtstuend im Stile eines passiven Reptils auf der Terrasse seines bescheidenen Grundstücks. Dazwischen viele Kinder, die mich als den Whiteman begrüßen. “Snap me!” Diesen Ausdruck höre ich ununterbrochen.
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Die Plantagenbesitzer hingegen sind ganz erzürnt, wenn ich es überhaupt wage, die Kamera herauszuzücken. “When you snap this, you pay 50000 frs!”. Frauen und Kinder waschen sich und ihre Klamotten in einem Bach. Aus einem Haus schallt es “We wish you a Merry Christmas.” Schweine, Ziegen und Hunde streunern auf den Plantagen herum. Dort wiederum ist ein Vielzahl von Frauen mit der Ernte beschäftigt. Ein Fußballplatz mitten in der Pampa, von der Natur eingeholt. Wir kehren ins Stadtzentrum von Buea zurück, wo noch Einkäufe für die morgige Mount-Cameroon-Besteigung getätigt werden. Gegen 20 Uhr sind wir wieder in Aarons Wohnung zurück.
Sonntag, 16. Dezember
Um 6 Uhr stehen wir auf, um 8 Uhr sind wir beim Startpunkt, wo die Besteigung des zweithöchsten Bergs in Afrika losgeht: Der Mount Cameroon ist stolze 4090 m hoch und ist ähnlich wie Kamerun selbst eine Reise durch verschiedene Vegetationstypen.
Hier ein Videotagebuch zum Aufstieg auf den Berg:
http://www.youtube.com/watch?v=LHouVQbuNr8
Vor dem Start kribbelts, ich bin aufgeregt, habe Respekt vor dem, was mich erwartet. Bevor es jedoch losgeht, bekommen wir noch den berühmten Bismarck-Brunnen zu sehen, das wohl bekannteste Relikt aus der deutschen Kolonialzeit im Fin de Siecle (19-20. Jahrhundert). Nur wenige Meter weiter ist ein Prachtbau gelegen, die Residenz Bismarcks, die heute als Sitz der Regionalregierung umfunktioniert worden ist. Der Startpunkt, von wo aus die wohl härteste Wandertour in meinem Leben beginnt, ist wiederum in unmittelbarer Nähe.
Startzeit: 8.30 Uhr auf 1000 m Höhe. Ein Guide steht uns drei Freiwilligen zur Seite. Porter tragen unser Gepäck für die nächsten drei Tage hoch. Ich selbst bin ausgestattet mit einem kleinen Rucksack und einer Kameratasche. Die erste halbe Stunde ist es relativ flach. Wir passieren ein Staatsgefängnis. Die Landschaft ist geprägt von Feldern, wo zum Teil Plantains (Kochbananen) angebaut werden, sowie üppigem Grasland. Gegen 9 Uhr ändert sich das Bild. Urplötzlich betreten wir einen Wald, der zunächst noch relativ europäisch aussieht, mit zunehmender Dauer immer tropischer wird. Jetzt wird der Regenwald nicht nur dichter, sondern wir treffen auf immer mehr andere, entgegen-kommende Wanderer. Mal handelt es sich um eine kleine Gruppe von Wanderern wie wir, darunter auch häufig Europäer, mal begegnen wir Extremsportlern, die den Berg hoch und hinunter rennen!!! Unfassbar. In nur wenigen Stunden haben sie die Spitze erreicht, wofür wir 1 ½ Tage brauchen. Ihr Ansporn ist umso leichter nachzuvollziehen: Im Februar nehmen sie an einem Race teil, das hinauf bis ganz nach oben und wieder zurück führt. Ich muss schon nach gut zwei Stunden tief durchschnaufen. Es ist zum Teil sehr drückend, nicht unbedingt heiß, aber das humide Klima macht mir zu schaffen. Auch mental durchläuft man verschiedene Stufen. Die ersten Minuten habe ich großen Respekt, bin aber optimistisch. Zwei Stunden später kommen gewisse Zweifel, ob man die ganze Sache schafft – bis man nach einer Weile zu dem Punkt gelangt, wo man neuen Mut nimmt und sich denkt: Das packe ich! Motivationsschübe gibt einem immer wieder die Natur. Alleine die Geräuschkulisse im Regenwald ist so aufregend. Auf gut 1500 m Höhe entdecken wir Coco-Yams-Plantagen. Um 11 Uhr erreichen wir die erste Hütte (auf 1800 m Höhe), wo wir eine längere Rast machen. Eine Gruppe französischer Schüler aus Douala macht es sich hier ebenfalls bequem. Ein paar Kekse zu sich genommen, von einem anderen Guide schnell gelernt, was “Wie geht’s?” in seinem Bueanischen Dialekt heißt: Ne? Nalia! und dann geht es nach rund 50 Minuten weiter.
Anfangs hingen gelegentlich dicke Wolken über uns, jetzt ist der Himmel klar, überwiegend sogar wolkenfrei über dem Regenwald. Das Klima hat sich auch verändert. Die kühlere, sehr feuchte Luft ist einer heißen, recht trockenen gewichen. Das Wandern erscheint dadurch nun leichter. Seltener sind die Begegnungen entgegenkommender Wanderer geworden. Manchmal hält man kurz an, tauscht sich aus, wünscht sich gegenseitig Glück. Courage. Auf 2000 m Höhe wird der Wald lichter und 30- 50 Höhenmeter weiter ist von einem Wald nichts mehr zu sehen. Einzelne Bäume stehen in einer Gras-/ Buschlandschaft. Vor uns liegt ein gut 600 Höhenmeter hoher Hang. Mir erscheint es eher wie eine nie endende Wand, die bedeckt von niedrigen Gräsern daherkommt. Wir haben die Savanne erreicht. Jeder Schritt wird nun schwerfälliger. Der Ausblick dafür wird immer phänomenaler. Wenn ich mich umdrehe, sehe ich einen riesigen Regenwald unter mir, der von einer Wolkendecke eingehüllt wird. Auf 2200 m Höhe steht eine kleine Hütte. Wir ruhen uns einen Augenblick aus. So langsam wird die Tour zu einer echten Heraus-forderung. Der schwierigste Part des ersten Tages kommt aber noch. Die Savanne verlangt mir alles ab. Die Füße sind kurz davor zu streiken. Die Verse schmerzt. Jeder Schritt tut nun weh. Wir drei Freiwilligen haben uns voneinander entfernt. Ich bin meistens an vorderster Front. Zum nächsten, Kim, sind es bisweilen 50 m Abstand. Jeder wählt sein eigenes Tempo. Jeder konzentriert sich nun auf sich selbst. Der Steigungsgrad ist enorm. Die Sonne brennt, pfeift jedoch der Wind wieder etwas stärker, so wird es jetzt zunehmend frischer. Die Schritte sind gut überlegt, Steine helfen mir zwar das Gleichgewicht zu halten, da der Hang aber mittlerweile so steil ist, muss ich mich davor hüten, einen falschen Schritt zu machen. Das Risiko böse zu fallen hält sich dennoch in Grenzen. Längere Episoden werden rar. Die letzten 300 Höhenmeter bis zum Zielpunkt von Tag 1 nehme ich nur noch 10- 15 Schritte, dann folgt eine 10-sekündige Pause und weiter geht’s.
Das Ziel liegt hinter dem Kamm des 600 Meter hohen Savannenhanges. Manche kleinen Etappen sind brutal, andere wiederum sind weniger schlimm. Nach dem Kamm ändert sich erneut schlagartig das Landschaftsbild. Raue Gräser bestimmen nun die Savanne. Dazu ist es nicht mehr ganz so steil. Um kurz nach halb 4 haben wir unser heutiges Ziel erreicht. Hinter uns liegen Regenwald und Savanne. Die Wolkendecke befindet sich unter uns. Wahnsinn! Wie aus dem Flugzeug. Es ist ein Gefühl der Freude und des Stolzes. Die Schmerzen sind vergessen. Wir besichtigen noch eine kleine Höhle, essen mit Guide und Portern Reis zu Abend und dann heißt es Schlafen in der Hütte. Kräfte sammeln für die Spitzenerklimmung an Tag 2.
Montag, 17. Dezember
Der gestrige Abend endete mit einem wunderschönen Sonnenuntergang – selbst die Lichter der Hauptstraße von Buea waren bis zur Hütte zu sehen. Leider geht’s mir am frühen Morgen alles andere als gut. Eine grauenhafte Nacht liegt hinter mir. Obwohl ich mich in meine Decke eingemümmelt habe, war es so unfassbar kalt, dass ich von 9 möglichen nur 3 Stunden geschlafen habe. Um 5 Uhr stehen wir auf. Es ist noch stockduster draußen. Wobei stockduster falsch ist: Tausende Sterne und der Mond leuchten am Himmel. Dann ein bezaubernder Sonnenaufgang. Wir essen ein Tartinabrot und trinken dazu einen auf Feuer gekochten Tee. Ich habe sehr starke Bauchschmerzen. Wie soll ich so weitere 1300 Höhenmeter bewältigen. Um kurz nach 7 Uhr starten wir. Die nächste Spitze, die man von der Hütte aussieht, liegt in 3300 m Höhe. Der nächste Bergkamm scheint unendlich weit entfernt zu sein. Der Aufstieg ist extrem steil. Die Landschaft ist geprägt von Buschsavanne. Schon nach 15 Minuten Aufstieg bin ich am Rand meiner physischen und psychischen Belastungsgrenze angelangt. Die Magen-schmerzen werden immer schlimmer. Eine Qual. Ich bin kurz davor aufzugeben. Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, dass die Spitze noch über 1000 Höhenmeter weit entfernt ist. Bis zu unserem heutigen Ziel sind es sogar noch 9 ½ Stunden Wandern. Gott sei Dank gehen die Bauchschmerzen auf der Spitze des zweiten Hanges zurück. Der Aufstieg ist so unbeschreiblich anstrengend. Manchmal machen wir 5 Schritte, dann folgt eine sekundenkurze Ruhepause. Es ist weniger so, dass bestimmte Körperpartien, sprich Muskeln schmerzen, sondern der ganze Körper ist derart geschwächt, dass man keinen Schritt mehr machen möchte. Der einzige Antrieb bleibt diese unbedingte Willenskraft, das Ziel zu erreichen.
Glücklicherweise wird es auf dem dritten Plateau etwas flacher. Dennoch ist jede Bewegung vorwärts ein Überwindungsakt. Dazu bläst ein eisiger Wind. Ich bin dick eingepackt in Mütze, Pullover, Jacke, Schal und zwei Hosen. Nach 1 km Distanz im relativ flachen Terrain, erreichen wir die letzte Hütte auf 3740 Höhenmeter. 20 Minuten holen wir Luft, einzuschlafen wäre jedoch fatal. Um 10.30 Uhr stellt uns unser Guide die alles entscheidende Frage: Weiter? Trauen wir uns die letzten 350 Höhenmeter noch zu? Eine schwierige Entscheidung, da es einmal erst gestartet, kein Zurück mehr gibt. Die Zeit drängt. Vor Sonnenuntergang müssen wir den Regenwald erreichen.
Wir entscheiden uns für den Gipfelsturm. Die Bauchschmerzen sind weg, der letzte steile Anstieg stellt die wohl größte Herausforderung meines Lebens dar. Vegetation ist weit und breit verschwunden. Die Wüste nimmt auf 3900 Höhenmetern Einzug. Zwischenzeitlich wird der Aufstieg noch erschwert durch den Untergrund. Vulkansand lässt jeden Schritt zu einer Tortur werden. Man sinkt förmlich ein. Die Abstände zwischen uns drei Freiwilligen sind teilweise riesig. Jeder versucht in seinem persönlichen Tempo, den Gipfel zu erreichen. Auf knapp 4000 m Höhe ist dieser endlich (!!!) zu sehen. Das setzt bei mir neue Kräfte frei. Die letzten 90 m Anstieg vergehen wie im Flug.
Um 11.30 Uhr erreiche ich als Erster der Gipfel. Ich bin überwältigt, Tränen kann ich nicht mehr zurückhalten. Es ist ein Moment, den ich in meinem Leben nie vergessen werde.Ich stehe über den Wolken. Ich hab es geschafft. Der Wind bläst wie verrückt. Die 10 Minuten auf dem Dach Westafrikas sind der Höhepunkt im Jahr 2012. Danach folgt der Abstieg auf der anderen Seite des Bergs. Alle Schmerzen sind vergessen. Wie eine Gazelle, antilopengleich renne ich förmlich die ersten 200- 300 Höhenmeter im Vulkansand hinunter. Die nächsten Stunden geht es mir richtig gut. Um halb 8 wollte ich nicht mehr weiter. Ich war am Ende.
Die nächste Rast legen wir um 12.45 Uhr ein. In mitten einer Savannenebene auf 3450 Höhenmeter. Eine halbe Stunde später nach guter Stärkung geht es im Flachland weiter. Eine Gesteinsebene von 2,5 km Ausmaß in der Länge ist umgeben von kleineren und größeren Hügeln. Knapp 1 Stunde dauert die Durchquerung der steinigen Plateaus.
Danach folgt Grasland. 50 Minuten legen wir uns einfach nur in die Sonne und erholen uns von den Strapazen. Nach einer beeindruckenden, aber eher monotonen Landschaft, geht es jetzt mit dem Wandel der Vegetation Schlag auf Schlag: Die hohen Gräser werden von kleineren Sträuchern angereichert, ein Kilometer weiter geht die Gras- in Buschsavanne über. Die flachen Ebenen sind sehr weitläufig. Da wir auf einem Höhenniveau bleiben, ist die Wanderung nun höchstens so anstrengend wie ein langer Spaziergang. Urplötzlich erreichen wir ein weites Tal. Die Wolken hängen sehr tief, ziehen in unglaublicher Geschwindigkeit vorbei. Die Hügel- wiederum wird von einer Kraterlandschaft abgelöst. Ein Vulkan ist hier 1909 ausgebrochen. Wir durchschreiten tiefschwarzes vulkanisches Gestein. Man fühlt sich wie in einer anderen Welt. Die Passage erinnert doch stark an eine Mondlandschaft. Abstrakte Pflanzen vervollständigen das Bild einer surrealen Welt. Gegen 18 Uhr kommen wir in einer Graslandschaft an. Die Abendsonne taucht die ohnehin roten Gräsern in ein wunderschönes Farbenmeer. Jetzt müssen wir nur noch um einen mittelgroßen Hügel herum, an dessen linker Flanke der Regenwald beginnt. Dort übernachten wir in einem Zelt. Ein überaus nervenaufreibender, aber sehr erfolgreicher Tag ist geschafft!
Dienstag, 18. Dezember
Die letzte Nacht im Zelt war viel wärmer – was vielleicht auch daran lag, dass wir drinnen so wenig Platz hatten, dass wir uns zwangsläufig eng aneinander kuscheln mussten. In der kalten Nacht im Regenwald ein entscheidender Vorteil. Gestern Abend war ich zwar etwas kaputt gewesen, sonst ging es mir aber vergleichsweise gut. Kim hatte schon mit mehr Verletzungen kämpfen müssen. Nach letztlich 11 Stunden Wandern waren wir nach dem Abendessen am Lagerfeuer hundemüde ins Bett – pardon Zelt gefallen. Die lauten Geräusche des Dschungels haben mich sanft in den Schlaf gewogen und mich um 6 Uhr auch wieder daraus geholt. Mitten im Regenwald ist etwas Improvisation gefragt: Das fängt beim Zähne putzen an und hört beim Frühstück auf. Ein bisschen hat das Ganze etwas von Dschungelcamp, Survival und Pfadfindercamp. Aber keine Sorge: Anstelle von Kakerlaken wurde uns ein Eimer Tartina (die weltbekannte kamerunische Form von Nutella) mit ultrapappigem Kumba Bread (eine Art Toast) serviert.
8.20 Uhr ist Start. Nach einem kurzen Stück Regenwald folgt wieder die Grassavanne vom Vorabend. Der Beginn jedes Tages ist der schwierigste Part. Im Bewusstsein, dass noch 7 Stunden Trekking vor einem liegen und mit leichtem Muskelkater im Körper läuft es sich die ersten Meter nicht so federleicht. Aber alles eine Frage der Eingewöhnung. Nach einer halben Stunde bin ich wieder voll in meinem Element. Die rötlichen Gräser, die in einer Hügellandschaft liegen, erinnern an die Flora Schottlands oder Irlands. Und auch die Melancholie dieser Landschaft überträgt sich an dieser Stelle nach Afrika. Der Himmel ist grau in grau. Dieser Abschnitt gefällt mir auf der ganzen Tour mit am besten. 2 Stunden dauert der Weg durch die Savanne. Es geht nur schrittweise bergab – von steilen Hängen ist weit und breit nichts mehr zu sehen.
Von einem auf den anderen Meter beginnt auf gut 2000 m Höhe der Regenwald. Der folgende Abschnitt ist auf der gesamten Tour mit zirka 5 ½ Stunden der längste. Im Gegensatz zum Hinweg, der sehr geradlinig der Spitze entgegengeht, macht der Rückweg eine große Schleife. Es ist größtenteils flacher. Im Tropenwald nimmt die Steigung wieder etwas leicht zu. Die Geräuschkulisse ist enorm. Im Gegensatz zum 1. Tag ist dieser von heute deutlich ursprünglicher, deutlich wilder. Auf dem engen Pfad streifen wir an vielen Pflanzen vorbei. Ameisen sollte man, wenn sie aufkreuzen, aus dem Weg gehen. Es handelt sich hierbei nämlich um rote Feuerameisen, die auf der Haut brennen. Der Regenwald ist mit seiner botanischen Vielfalt eine Faszination für sich, nach gut 4 Stunden wird aber auch er etwas öde. Dazu stellen sich Kopfschmerzen ein. Zum Glück biegen wir jetzt auf die Zielgerade ein: Auf 1000 m Höhe haben Farmer Coco Yams auf großen Plantagen angebaut. Einige dieser Farmer laufen einem hier entgegen. Die ersten Menschen, denen wir nach 2 Tagen begegnen. Tieren begegnet man leider noch seltener. Erst seit 2009 ist das Areal ein Nationalpark. Davor wurde im großen Stil gejagt, sodass Affen, Antilopen und andere hier beheimatete Tiere sich zurückgezogen haben oder gar ganz verschwanden. Aus diesen Fehlern hat man anscheinend gelernt: Das Töten von Tieren ist strikt verboten. Bis 2015 rechnet man mit der Rückkehr vertriebener Arten.
Um 15.45 Uhr ist die Tour mit der Ankunft im Dorf Bokwango beendet. Ziemlich fertig, aber überglücklich bin ich nach 40 km Wandern. Ich habe in den letzten drei Tagen einen der schönsten Orte der Welt gesehen. Das ich wirklich auf 4090 m Höhe war, kann ich immer noch nicht so ganz realisieren.
Mit dem Taxi kehren wir zurück nach Buea, wo wir Träger und Guide noch auf ein Bier einladen. Es wird dunkel. Wir wollen an diesem Abend noch in Limbe sein. Also nehmen wir ein Taxi und fahren in die Downtown Bueas. Dort steigen wir in ein anderes Taxi um. 45 Minuten Fahrt, dann kommen wir im Holiday Inn an. Das Hotel liegt weit weg vom Strand. Wir planen daher, eine Nacht hier zu schlafen und am nächsten Morgen dann umzuquartieren. Endlich wieder eine kalte Dusche und ein Bett.
Mittwoch, 19. Dezember
Am nächsten Tag entschließen wir uns, bereits am Vormittag das Hotel zu verlassen, um uns außerhalb von Limbe direkt am Strand ein neues zu suchen, wo wir die nächsten drei Tage verbringen werden. In Batoke, eine halbe Taxistunde von der Innenstadt entfernt, befindet sich das Hotel. Auf dem Weg dorthin geht es vorbei an dem Industriezentrum mit Bohrinsel, deren Schornstein in luftiger Höhe Feuer speiht. In Batoke angekommen fährt man von der Hauptstraße ab auf eine ungeteerte kleine Straße, die direkt zum Meer führt. Das Betisah Beach Hotel nimmt uns nach langen Diskussionen, ob denn ein eigentliches Zweibettzimmer uns drei Freiwillige beherbergen kann, auf. Schnell das Gepäck abgestellt und dann nichts wie runter zum Strand des Hotels. Ein Traum. Das Meeresrauschen hört man von Weitem. Die Meeresluft atme ich tief ein und möchte sie nicht mehr wieder hergeben. Der Sand ist pechschwarz. Vulkansand vom Mount Cameroon. Wir sind die einzigen Menschen weit und breit. Privatstrand bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Es ist diesig. Der Himmel ist von einer dünnen Wolkenschicht komplett verschleiert. Heiß ist es trotzdem und wie. In der prallen Sonne brennt der schwarze Sand auf der Haut. Wellen türmen sich kurz vor den schmalen Sandbänken, brechen und bilden eine Schaumsuppe. Ansonsten ist das Meer klar, keine Algen, direkt an der Küste überhaupt keine Tiere. Vom Meer aus in Strandrichtung bietet sich das Bild einer einsamen Vulkaninsel. Palmen lassen exotische Urlaubsstimmung aufkommen. Das Wasser ist sehr warm. Das bin ich vom Atlantik in gemäßigten Breiten sonst gar nicht gewohnt. Wie man einen wunderschönen Tag am Meer verbringt, kann sich jeder vorstellen.
Urlaub. Sand in den Schuhen, Salz auf der Haut, Wind in den Haaren – ich bin am Meer. Am Abend fahren wir zurück nach Limbe – wo man am Down Beach hervorragend Fisch essen kann. Frisch zubereitet, lecker gewürzt, knusprig gebraten. Selbst für einen begnadeten Fischnichtesser wie mich ein Genuss. Der nächste Tag ist ein noch längerer Strandtag. Un der Tag danach ein noch längerer.
Samstag, 22. Dezember
Samstag in der Früh geht es in die nächste Beachmetropole: Kribi. Wir fahren weiter südwärts. Äquatorialguinea ist nicht mehr weit entfernt. Hier wird’s wieder durchgehend frankophon. Der Weg dorthin ist angesichts des häufigen Umsteigens das Ziel. Für 2000 Franc fahren wir erst einmal nach Limbe Town.
Half Mile. Total-Tankstelle.Leckere Nescafé-Latte. Wie in Yaoundé. So vermisst. Wiederentdeckt. Nächstes Taxi. Preiserhöhung. 9000 Franc für drei. Destination Douala. Laut, chaotisch, hektisch dort. Viele Menschen, wenig Platz, hohe Luftfeuchtigkeit. Anstrengend. Umstieg in Bus. Frühstück. Ei-Sandwich. Une jeune attirante und weg. Gequetscht. Letzte Reihe. 5 Leute. 3 Plätze. Schweiß. 3 Stunden Fahrt. Ankunft Kribi. Blauer Himmel. Sonne. Zwei Taxifahrer streiten sich um uns. Welches Hotel nun? Keinen Schimmer. Atlantique. Hotel gut, Strand schmal. Zu schmal. Also weiter. Moto. 200 Franc. Neuer Anlauf. Durch die City. Ein schönes Örtchen. Hat was von einem europäischen Hafendorf. Im Hafen steht eine Yacht. Nicht erwartet. Eine ganz klassische katholische Kirche. Von Deutschen erbaut. Nicht mit gerechnet. Schöne Häuser, netter Baustil. Viele Weiße überall. Franzosen mit Familie. Touristenhochburg. Sehr niedliche, einladende Stadt. Urlaubsfeeling.
Auf der Straße herrscht Gelassenheit. Kaum zu glauben, dass ich 4 Stunden vorher im reinsten Stress, in der Sauna von Douala war. Ein Hotel ist gefunden. Der Strand ist perfekt, der Preis nicht ganz. Egal – nehmen wir. Was schöneres würden wir nicht finden. Sonnenbad im Atlantik. Abendsonne. Palmen.
Weihnachten kann kommen. Zuvor genieße ich zwei ausgedehnte Strandtage. Der 23. Dezember, ein Sonntag, wird abgeschlossen mit einem kühlen Bier auf der Hotelterrasse und vollendet mit einer kleinen, gemütlichen Happy Hour am Strand in Wassernähe. Der 24. Dezember ist bis auf die nominelle Tatsache, dass der Tag Heiligabend heißt, ein gewöhnlicher Urlaubstag. Weihnachtsstimmung will nicht wirklich aufkommen. Wie auch bei 30 Grad im Schatten? Dem Feiertag angemessen gehen wir dann aber – Weihnachten hin oder her – aus. Bei uns heißt das teuer und lecker essen. Ein heftiger Regen mit sturmartigen Böen und Gewitter zieht auf. Den ganzen Abend will dieser Unwettercocktail auch nicht mehr weichen. Um 20 Uhr ist bei den Presbyterianern eine Weihnachtsmesse geplant. Als ich um 20.30 Uhr in der Kirche auftauche, dröhnende Leere. Man sagt mir, dass aufgrund des starken Unwetters sich alles etwas verspätet. Vielleicht werfe ich stattdessen am Morgen des 1. Weihnachtstages einen Blick in die Messe…
Dienstag, 25. Dezember
So geplant, so geschehen. Meine Mission “Entspannen am Strand” erhält eine kurze Auszeit. Die presbyterianische Kirche ist nur einen Katzensprung vom Hotel entfernt. 10.30 Uhr. Die Kirche voll. Lichterketten blinken. Am Eingangsportal hängt ein Banner Joyeux Noel. Ein Acapella-Chor, eine Ansammlung vom Club Frauen 60+, trifft beim 10-minütigen Stille Nacht, Heilige Nacht nur eine Hand voll von Tönen. Dazu dudelt selbst bei der Predigt im Hintergrund ein Keyboard mit Effekt-Einstellung “Grauenhaft kitschiges Orgelgeklimper” oder so ähnlich. Kitschig ist der ganze Gottesdienst. Eine Schar von 80 Kindern mit ihren neusten Errungenschaften von der morgendlichen Bescherung kehrt in das Gotteshaus ein. Plastikpistolen und anderer Krimskrams. Lackschuhe zu tragen ist groß angesagt. Sonnenbrillen obendrauf bleibt ein Privileg für wenige Stilbewusste. Insgesamt hat das Ganze viel von einer typischen afrikanischen X-mas-Messe mit Strandtouch. Passt doch und nichts wie zurück zum Meer.
Das Meer ist oftmals ruhig. Leichter Wellengang, warme Wassertemperatur. Der Atlantik ist in diesen warmen Breitengeraden kein furchteinflößendes Ungeheuer. Bedingungen, die selbst wasserscheue Landratten anlocken. Nur ein Mal, an einem frühen Abend eines gewissen 1. Weihnachtstages zeigt sich das friedlich gesinnte Weltmeer von seiner dunklen Seite. Die Sonne hat nun kein leichtes Spiel mehr. Die Wolkendecke zieht sich zu, der Himmel ist in ein tiefes grau gefärbt. Der Wind wird stärker. Der Wellengang nimmt zu und urplötzlich braut sich am Horizont eine Monstervague zusammen, die wenige Sekunden über mir in sich zusammenkracht. 2 Meter, 3 Meter hoch. Ein lauter Knall. Auftakt eines furiosen Wasserkonzertes in Moll. Der atlantische Ozean hat sich in ein raues Meer verwandelt. Es bilden sich meterhohe Türme, die kurz vor dem Ufer brechen. So kenne ich den Atlantik aus der Bretagne. Minuten später ist das Tohuwabohu vorbei. Schade eigentlich. Jetzt bin ich richtig durchgeschüttelt.
Mittwoch, 26. Dezember
Am 26. Dezember fahren wir um halb 4 zurück nach Douala. Diesmal aber um dort zu verweilen, wenn auch nur kurz. Dass ich mich in der Handelsmetropole auf eine schwitzige Angelegenheit einstellen muss, lassen die Vorboten im Bus ankündigen. Zu Fünft bei schwülen Temperaturen in der letzten Busreihe. Fischwasser tropft vom Dach hinunter. Herrliche Düfte.
Abends in der Dunkelheit erreichen wir Douala Downtown. C’est le trafic qui règne. Mit Madalena, einer Freiwilligen hier, bei der wir übernachten werden, gehen wir noch in eine Bar. Gegen Mitternacht beziehen wir unser Bett. Es befindet sich in luftiger Höhe und umfasst genau genommen nur eine ISO-Matratze und ein Kissen. Ich verzichte auf die Decke. Ein Fehler. Selbst in dem Dampfkessel Douala ist es nachts kühler. Wenn dann eine leichte Briese bläst und man draußen nächtigt, dann kann klar von einer Fehleinschätzung meinerseits gesprochen werden. Es ist ein einmaliges Erlebnis: Wir schlafen auf dem Dach des vierstöckigen Hauses, können das anliegende Quartier komplett überblicken. Die Lichter der Stadt. Der Mond steht hoch. Eine Brasserie mit unzähligen Stapeln von Bierkisten in Sichtweite. Nach einer Stunde habe ich die Schnauze von der wundervollen Aussicht voll. Ich möchte schlafen, kann es aber nicht. Zu kalt. Ich steige ab ins Apartment, um eine Decke zu holen. Verriegelt. Also bleibt mir nichts anderes übrig als im Treppenhaus zu schlafen. Bonne nuit. Aber ganz passabel. Ein paar Stunden habe ich die Augen zugedrückt.
Donnerstag, 27. Dezember
Der nächste Morgen beginnt mit einer bösen Überraschung. Die Tür ist immer noch verriegelt. Wir sind tatsächlich im Treppenhaus ausgeschlossen. Nach 1 ½ Stunden unbequemen Verharrens wachen die beiden Gastgeberinnen auf – sie haben wie gewöhnliche Menschen in ihren vier Wänden geschlafen, wo es uns zu schwül war. Unsere Rettung! Ein ergiebiges Frühstück lässt eine schwierige Nacht schnell vergessen. Wir kaufen kurz unsere Rückfahrttickets nach Dschang und treffen uns im Anschluss mit Madalena am Place du Gouvernement, wo wir eine zeitgenössische Ausstellung besichtigen werden.
Die Fahrt dorthin führt mitten durch das Herz der Millionenstadt. Hier ist alles eine Dimension größer. Breiter Straßen, Ampeln, étoile-artige Kreisverkehre, mehrstöckige Häuser, westliche Firmenniederlassungen – darunter ein Apple Store und eine United-Colors-of-Benetton-Boutique. Selbst die Agencen von Brüssel, France und Ethiopian Airlines findet man hier.
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Die Kunstausstellung ist hochinteressant, zeigt sie doch kontemporäre Werke von afrikanischen Künstlern. Ein spannender Einblick. Wie lange war ich bitte nicht mehr in einer Kunstausstellung? Ich fühle mich für eine Zwischenzeit nach Europa versetzt. Bei einer kühlen Fanta – bei der Hitze würde man am liebsten ununterbrochen eiskalte Getränke zu sich nehmen – kommen wir ins Gespräch mit einer jungen französischen Studentin aus Berlin, die für einige Monate ein Praktikum in der Galerie DoualArt macht. Beneidenswert, wenn man im Rahmen seines Masters an der FU Berlin im Studiengang “Afrikanische Kunsthistorie” eine solche praktische Erfahrung im Ausland macht. Danach zeigt sie uns noch die hauseigene Bibliothek. Mir springen überaus interessante Kunstbücher ins Auge. Fotografie: im 20. Jh, Lagos, Künstlerbiographien. Eigentlich müsste man sich an diesem netten Ort einen Tag niederlassen und ein bisschen stöbern. Wenn man die Zeit hätte… aber wir wollen noch Douala entdecken und so fahren wir nach einem Schlemmer-Zwischenstopp in der stadtbesten Bäckerei – hier gibt es Quiche, Eclairs, Brioches, Beignets und sogar Nutella, Hamburger und Pizza !!! – zum Marché du Fleur.
Auf den ersten Metern begegnet man dem, was der Name erahnen lässt: Blumen en masse. Wenn man sich ein Stückchen weiter in das Innere des Marktes vorarbeitet, so stößt man auf eine Aneinanderreihung von Arts- & Craft-Läden, die die typischen kamerunischen Manufakturwerke verkaufen. Totenmasken, Voodoo-Puppen und jede Menge Schmuck. Ein Verkäufer schenkt mir einen Passport. So werden spezielle kleine Holzmasken bezeichnet, die angeben, dass der Besitzer im Heimatort der Maske war. Eine nette Geste, die man so nicht im Handelsforum hier erwartet. Was mir besonders auf die Nerven geht, ist die Tatsache, dass ich nicht einen Fuß in einen Laden setzen kann, ohne dass der Verkäufer mir auf die Pelle rückt und mir alles andrehen will, was ich nur für den Bruchteil einer Sekunde anvisiere. Auf dem Markt habe ich mich mit Willi-Christian verabredet. Den verzweifelten Deutschlernenden, der kein Visum für die Bundesrepublik bekommen hat, kenne ich noch aus Yaoundé. Er kommt in Begleitung eines guten Freundes, der sich für die TU Dortmund bewirbt.
Am Abend essen wir bei Madalena noch zu Hause. Gegen 21.30 Uhr brechen wir auf zum Garre Routière, ein riesiger Busbahnhof, von wo aus wir fast drei Stunden später erst nach Dschang zurückfahren. Am frühen Morgen des 28. Dezember kommen wir an. Ein erlebnisreicher Urlaub ist zu Ende.
Wenn ihr hier angekommen seid, dann habt ihr eure kleine Herausforderung gemeistert: Ihr habt euch durch diesen halben Roman durchgeschlagen. Ich hoffe ihr habt nun einen kleinen Eindruck von meiner Weihnachtsreise. Die nächste folgt sobald: Am Donnerstag geht es zum Weltwärts-Zwischenseminar erneut nach Kribi…
A bientôt mes potes